Vortrag am 10. November 2013

Buddhistisches Zentrum Bern
 


SBU – Schweizerische Buddhistische UnionGeneralversammlung der SBU


Schweizerische Buddhistische Union


30 Jahre staatliche Anerkennung des Buddhismus in Österreich
Eine Einladung zu vergleichenden Erwägungen

 

Mag. Kurt Krammer: Vortrag bei der SBU Generalversammlung 10. Nov. 2013
(Schweizerische Buddhistische Union)

 

Ist das Glas nun halb voll oder halb leer?

 

1. Gesellschaftliche Akzeptanz des Buddhismus in Öffentlichkeit und Medien.

2. Kooperation mit Behörden: Akzeptanz Buddhistischer Zentren und Bauten (Stupa); Möglichkeiten der Bildungs- und Forschungsarbeit an Schulen und Universitäten.

3. Die Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft (ÖBR), ihre Strukturen und Finanzen.

4. Mitglieder: Befindlichkeit, Zufriedenheit, Erwartungen, Vernetzung, Partizipation, Betreuung.

5. Einheit und Vielfalt: Intrabuddhistischer Dialog, Konflikte und Lösungen; internationale Vernetzung und Kooperation

6. Der österreichische Buddhismus im Dialog der Religionen und Weltanschauungen.

 

Mit einem Jubiläumssymposium am 4. und 5. April an der Universität Wien zum ThemaVERANTWORTUNG LEBEN“ und mit einem Festakt in der Akademie der Wissenschaften tags darauf wurde 30 Jahre staatliche Anerkennung des Buddhismus in Österreich gefeiert. Ende September gab es aus diesem Anlass in Wien noch eine sehr gut besuchte „Buddhistische Filmwoche“ mit mehr als einem Dutzend Filme.

 

Blenden wir kurz mehr als 30 Jahre zurück:

 Zehn Jahre lang wurden alle Anträge auf Anerkennung vom Kultusministerium zurückgewiesen mit den fadenscheinigsten Argumenten, sei es dass der Buddhismus keine Religion sei, nicht europäisch genug, bzw. wenn schon Anerkennung, dann müsste man gemäß den Drei Fahrzeugen eben drei Religionsgemeinschaften anerkennen, aber dann wäre die jeweilige Anhängerschaft zu klein. Bei einem zufälligen Treffen des Kultusministers mit 2 bekannten Schriftstellern, die mit dem Buddhismus sympathisierten gelang der Durchbruch. Mit einem Federstrich des Ministers wurden die Bedenken der Beamten hinweggefegt.

 

1. Gesellschaftliche Akzeptanz des Buddhismus in Öffentlichkeit und Medien.

So begann im Februar 1983 die Ära des staatlich anerkannten Buddhismus in Österreich. Strukturen, für die überwiegend in Wien beheimateten Buddhisten wurden geschaffen, sowie ein Sekretariat mit Telefon, auch als Vernetzungsangebot für die wenigen hundert Anhänger, die sich im restlichen Österreich fanden.  Mit ersten Schritten von Öffentlichkeitsarbeit versuchte man vorsichtig den Medien klar zu machen, dass man nun nicht mehr mit den diversen Sekten der Post-Hippie-Zeit und mit diversen esoterischen Strömungen verwechselt werden wollte.

Tatsächlich begann ein allmählicher Prozess der zunehmenden und wertschätzenden Akzeptanz in Öffentlichkeit und Medien, unterstützt durch regelmäßige Sendungen im österreichischen Rundfunk und Fernsehen.

 

2. Kooperation mit Behörden: Akzeptanz Buddhistischer Zentren und Bauten (Stupa); Möglichkeiten der Bildungs- und Forschungsarbeit an Schulen und Universitäten.

Es war leichter geworden, als noch in den späten 1970er Jahren, alte Gebäude zu kaufen und sie in Retreatzentren zu verwandeln, oder auch Wohnungen für Stadtzentren anzumieten. Noch im Jahr der Anerkennung wurde ein buddhistisches Kloster in Vorarlberg und der Friedensstupa am Donauufer in Wien eröffnet.

 

Mit der Anerkennung war auch die Erteilung eines buddhistischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen in den Bereich des Möglichen gerückt. Nach Abwägung der Für und Wider wurde schließlich ein Lehrplan erstellt und 1993 der Unterricht in drei größeren Städten aufgenommen. Zurückblickend auf 20 Jahre buddhistischen Religionsunterrichts mit jährlich mehr als hundert Schülern an Schulen in Groß- und Kleinstädten, können die Auswirkungen auf das Bild des Buddhismus in der Öffentlichkeit kaum überschätzt werden.

 

Zwei wichtige Nebenaspekte sollen hier noch erwähnt werden:

Da die Lehrerinnen und Lehrer des buddhistischen Religionsunterrichts ihre spirituelle Heimat in den unterschiedlichsten Traditionen und Lehrrichtungen hatten, ergab sich bei gemeinsamen Zusammenkünften und Fortbildungsveranstaltungen ein lebendiger intrabuddhistischer Dialog, der ansonsten erfahrungsgemäß schwierig zu installieren ist und sich hier anhand konkreter gemeinsamer Arbeit besonders fruchtbar entwickelte. Es ging ja auch darum, den Schülern ein möglichst umfassendes und breites Bild der Lehre des Buddha, seiner Inhalte und Methoden zu vermitteln und die Kompetenzen für ein erfülltes und heilsames Leben grundzulegen.

Als zweiter Aspekt ergab sich eine vielfältige und logische Involvierung der Lehrer und Schüler des buddhistischen Religionsunterrichts in den Interreligiösen Dialog in Stadt und Land quer durch Österreich.

Teilweise konnte durch den Religionsunterricht und die betroffenen Schüler und Eltern ein vorsichtiger Brückenbau zwischen europäischen und asiatischen Buddhisten begonnen werden.

 

3. Die Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft (ÖBR), ihre Strukturen und Finanzen.

Kurz zu Strukturen und Finanzen der ÖBR.

Der Sangharat ist das große beschlussfassende Gremium der ÖBR (Je ein Delegierter der 30 Mitgliedsgruppen)

Das Präsidium ist das ausführende und leitende Gremium. (4er Kollegium gewählt auf 5 Jahre)

Neben dieser Doppelstruktur steht laut Verfassung ein weiteres Organ zur Betreuung der Mitglieder:

Die Gemeindeversammlung der Buddhistischen Gemeinde Österreich und

Der Vorstand der Buddhistischen Gemeinde Österreich (3er Kollegium gewählt auf 3 Jahre)

Diese Struktur ist zwar in der Verfassung vorgesehen, tritt allerdings nicht in Erscheinung. Zum Unterschied dazu gibt es in den Regionen Repräsentanten, die vom Präsidium ernannt werden und in der Verfassung nicht vorgesehen sind.

 

Das vierköpfigen Präsidium, das die Geschicke der ÖBR leitet und alle 5 Jahre in direkter Wahl von den Mitgliedern gewählt wird, ist dem Sangharat berichtspflichtig.

Die meisten Entscheidungskompetenzen liegen also beim Sangharat, der von den 30 Dharmagruppen und Orden beschickt wird und viermal im Jahr zusammentritt. Die Mehrzahl der Buddhistinnen ist nicht in solchen Gemeinschaften organisiert und im Sangharat lediglich durch das Präsidium und einen Vertreter der Buddhistischen Gemeinde Österreich vertreten.

 

Die ÖBR ist mit anderen Dachorganisationen in Europa vernetzt (Committee of Buddhist Unions) und ist Mitglied bei der EBU  (European Buddhist Union) und der WFB (World Fellowship of Buddhists). Die ÖBR ist seit der Gründung der EBU zumeist durch einen Repräsentanten vertreten und war schon zweimal Gastgeber eines Jahrestreffens der EBU. Der mehrmals gefasste Plan, zu den buddhistischen Organisationen der Nachbarländer einen regelmäßigen Kontakt aufzubauen wurde bis dato nicht verwirklicht.

Die ÖBR finanziert sich aus verpflichtenden Beiträgen der Gruppen und Orden, sowie aus freiwilligen Beiträgen und Spenden einzelner Mitglieder. Es gibt so viel wie keine öffentlichen Mittel. Die Finanzlage kann seit 30 Jahren als prekär bezeichnet werden.

 

An dieser Stelle möchte ich kurz zunächst die Selbstdarstellung der ÖBR referieren:

 

4. Mitglieder: Befindlichkeit, Zufriedenheit, Erwartungen, Vernetzung, Partizipation, Betreuung.

Die ÖBR ist zwar offiziell die einzige Vertretung aller Buddhisten in Österreich, aber viele Buddhisten europäischen Ursprungs und beinahe sämtliche Buddhisten asiatischen Ursprungs sind nicht Mitglieder der ÖBR.

 

Mit der staatlichen Anerkennung waren zahlreiche Erwartungen verknüpft, die sich insbesondere in Bezug auf öffentliche Akzeptanz und die Breitenwirkung des buddhistischen Religionsunterrichts durchaus erfüllten.

Was vielleicht von den Gründervätern so nicht vorhergesehen wurde, waren die Erwartungen vieler Einzelmitglieder an die nun anerkannte Religionsgemeinschaft. Namensgebungszeremonien und Segnungen für Kinder und Jugendliche, Hochzeiten, Verabschiedungen, Begräbnisse und Weihnachtsfeiern finden in unterschiedlichen Ausformungen auf Wunsch der Mitglieder statt.

 

Die Erwartungen der Einzel-Mitglieder an die ÖBR sind häufig höher als die Bereitschaft zur Mitarbeit oder zur Leistung finanzieller Beiträgen, was ein deutliches Hemmnis für die weitere Entwicklung des organisierten Buddhismus darstellt.

Das Vorhaben, die Einzel-Mitglieder, die nicht in Gruppen organisiert sind miteinander zu vernetzen und in Kontakt zu bringen, konnte kaum realisiert werden.

Die Gruppen und Orden bestimmen das Bild des österreichischen Buddhismus.

Häufig wird von den Mitgliedsgemeinschaften die eigene Autonomie hoch gehalten und darauf geachtet dass der Dachorganisation ein möglichst geringer Einfluss zukommt. Das fördert weithin sichtbar das Bild der Zersplitterung und hält die intrabuddhistischen Kontakte seit Jahren auf einem sehr niedrigen Niveau. Soweit es eine österreichweite Vernetzung gibt, ist sie auf einzelne Dharmagruppen und deren eigene Filialen beschränkt.

 

5. Einheit und Vielfalt: Intrabuddhistischer Dialog, Konflikte und Lösungen; internationale Vernetzung und Kooperation

 

Bis vor etwa 10 Jahren gab es ein Jahrestreffen der ÖBR im Buddhistischen Zentrum Scheibbs, gegründet 1975, also einer Institution die älter ist als die ÖBR selbst. Hier konnten Aktive und Interessierte für einige Tage Austausch pflegen, hier nahmen auch BuddhistInnen aus unterschiedlichen Teilen Österreichs teil.

Abgesehen von Großveranstaltungen wie den 30-Jahr Feiern fehlen derzeit ähnliche Plattformen der Begegnung. Der viermal im Jahr in Wien stattfindende Sangharat wird fast ausschließlich von Wiener Delegierten beschickt, obwohl mehr als ein Drittel der Gruppen, die Mitglieder im Sangharat sind in den Bundesländern beheimatet sind. Das hat unterschiedliche Gründe, einer davon ist sicherlich die weite Anreise für eine Besprechung von 2-3 Stunden.

Abgesehen von Vesakhfeiern, die jährlich in Wien und seit einiger Zeit auch in Salzburg stattfinden gibt es kaum eine regionale oder nationale Zusammenarbeit von Gruppen der ÖBR und auch sonst nur wenige Gelegenheiten für den intrabuddhistischen Dialog. Am ehesten findet dieser dort statt, wo BuddhistInnen unterschiedlicher Richtungen gemeinsam an konkreten Projekten arbeiten, wie Religionsunterricht, Kranken- und Gefangenenbetreuung, Hospiz- und Jugendarbeit.

6. Der österreichische Buddhismus im Dialog der Religionen und Weltanschauungen.

Insbesondere in den letzten 15 Jahren ist die Beteiligung der Buddhistinnen und Buddhisten am Interreligiösen Dialog in Österreich zunehmend intensiver geworden. Das gilt sowohl für die repräsentative Ebene des Dialogs, wo das Präsidium der ÖBR einer Einladung des Bundespräsidenten, des Bundeskanzlers oder des Kardinals folgt, oder international besetzte Dialogforen beschickt, wie die „Internationale Interreligiöse Konferenz Graz 2013“ oder das „King Abdullah International Centre for Interreligious and Intercultural Dialogue (KAICIID)“.

Das setzt sich aber auch fort in regionalen und lokalen Dialogforen oder in den zahlreichen Besuchen von Schulklassen in buddhistischen Zentren, oder in Fachkonferenzen von LehrerInnen unterschiedlicher Religionen an einzelnen Schulen.

Seit einigen Jahren gibt es in Zusammenarbeit mit der Universität Wien auch einen zweisemestrigen Lehrgang zum Thema „Buddhismus und Christentum“, der sehr gut besucht ist.

Abschließende Bemerkungen:

Das Glas ist halbvoll:

·        Durch die staatliche Anerkennung erfreut sich der Buddhismus in Österreich zunehmender und wertschätzender Akzeptanz in Öffentlichkeit und Medien.

·        Kontakte zu Behörden, sowie die Errichtung Buddhistischer Zentren und Stupas wurden bedeutend erleichtert.

·        Durch die Erteilung von Buddhistischem Religionsunterricht an öffentlichen Schulen wurde die Lehre des Buddha einer größeren Öffentlichkeit zugängig, Schulklassen besuchen in großer Anzahl Buddhistische Zentren.

·        Buddhistische ReligionslehrerInnen aus unterschiedlichen Traditionslinien pflegen über Jahre einen intrabuddhistischen Austausch.

·        Auch bei anderen Projekten, wie Hospizarbeit, Kranken- und Gefangenenbetreuung und anderen Initiativen kommt es zu traditionsübergreifender Zusammenarbeit und verbindendem Dialog.

·        Durch die Webseite, sowie durch einen vierteljährlich erscheinenden elektronischen Newsletter und ein im Druck erscheinendes Quartalsmagazin „Buddhismus n Österreich“ werden Mitglieder und Interessenten informiert.

·        Mehrmals jährlich gibt es auch Treffen der regionalen Repräsentanten, wo über die jeweiligen Schwerpunkte der Arbeit berichtet und ein Erfahrungsaustausch gepflegt wird.

·        Den Bedürfnissen der Mitglieder entsprechend werden Pujas und andere buddhistische Feiern veranstaltet, Betreuungen und Segnungen für Lebensereignisse angeboten.

·        Durch Teilnahme am Interreligiösen Dialog auf unterschiedlichen Ebenen wird eine offene und pluralistische  Haltung anderen Religionen und Weltanschauungen gegenüber gelebt.

 

 

 

 

Das Glas ist halbleer:

·        Aufgrund des Festhaltens am Dana-Prinzip ist die finanzielle Situation der ÖBR eher prekär.

·        Die 1995 geschaffene Verfassung entspricht in wesentlichen Punkten nicht mehr den derzeitigen Bedürfnissen, ist aber in der derzeitigen Struktur schwer änderbar.

·        Die Bildung von regionalen Buddhistischen Gemeinden mit Gemeindeversammlungen und einem gewählten dreiköpfigen Kollegialorgan ist in der Verfassung vorgesehen und wird trotz entsprechender Forderungen aus den Bundesländern nicht vollzogen.

·        Die Ernennung von regionalen RepräsentantInnen anstatt der Schaffung von autonomen regionalen Gemeinden mit gewählten Gemeindevorständen wird als unzureichend empfunden.

·        Die ins Auge gefasste landesweite Ausbildung und Ernennung von Dharmadans und Dharmadanis (SeelsorgeInnen) liegt seit1995 auf Eis.

·        Eine Aus- und Weiterbildung von ReligionslehrInnen ist nur rudimentär vorhanden und gefährdet die Qualitätssicherung des Buddhistischen Religionsunterrichts.

·        Wahlen für das geschäftsführende Präsidium finden zwar durch allgemeine Briefwahl statt, einem Großteil der Mitglieder sind aber die Kandidaten nicht bekannt, was sich auch in einer sehr niedrigen Wahlbeteiligung ausdrückt. Es scheint in der Natur der Sache zu liegen, dass Kandidaten für Ämter ausschließlich aus Wien kommen. Häufig steht aber für jede Funktion ohnehin nur ein Kandidat zur Wahl.

·        Der mit Entscheidungsmacht ausgestattete Sangharat tagt viermal im Jahr für wenige Stunden in Wien. Delegierte von außerhalb Wien sind zumeist nicht vertreten.

·        Konflikte im Sangharat nehmen seit Jahren häufig den Großteil der Sitzungszeit ein. Die Kürze der Sitzungszeit, neben anderen Faktoren scheint eine Lösung nicht zuzulassen.

·        Die seit Jahren anvisierte Reform der Verfassung von 1995 scheint einer Realisierung keinen Schritt näherzukommen. Der Sangharat anerkennt die durch das Präsidium bestellten regionalen Repräsentanten nicht.

 

 

 

 

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NOV. 10, 2013/2557

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